EINLEITENDE CANONES
Can. 1 – Die Canones dieses Codex betreffen alle und nur die orientalischen katholischen Kirchen, außer es wird hinsichtlich der Beziehungen mit der lateinischen Kirche ausdrücklich etwas anderes bestimmt.
Can. 2 – Die Canones des Codex, in denen zumeist das alte Recht der orientalischen Kirchen aufgenommen und angepaßt ist, sind besonders von jenem Recht her zu beurteilen.
Can. 3 – Auch wenn sich der Codex oft auf die Vorschriften der liturgischen Bücher bezieht, trifft er zumeist keine Entscheidungen über den liturgischen Vollzug; deshalb sind diese Vorschriften sorgsam zu beachten, wenn sie nicht im Gegensatz zu den Canones des Codex stehen.
Can. 4 – Die Canones des Codex heben die vom Heiligen Stuhl mit Nationen oder anderen politischen Gemeinschaften eingegangen oder gebilligten Vereinbarungen weder ganz noch teilweise auf; diese gelten deshalb wie bis jetzt fort ohne die geringste Einschränkung durch entgegenstehende Vorschriften des Codex.
Can. 5 – Erworbene Rechte und ebenso Privilegien, die vom Apostolischen Stuhl bislang physischen oder juristischen Personen gewährt wurden, in Anwendung sind und nicht widerrufen wurden, bleiben unangetastet, wenn sie nicht durch die Canones des Codex ausdrücklich widerrufen werden.
Can. 6 – Mit Inkrafttreten des Codex:
1° sind alle Gesetze des gemeinsamen Rechts und des Partikularrechts aufgehoben, die den Canones des Codex widersprechen oder die sich auf eine Materie beziehen, die im Codex umfassend geordnet ist;
2° sind alle Gewohnheiten widerrufen, die durch die Canones des Codex verworfen werden oder die ihnen entgegenstehen, aber nicht die hundertjährigen oder unvordenklichen Gewohnheiten.
TITEL I
CHRISTGLÄUBIGE UND IHRE GEMEINSAMEN RECHTE UND PFLICHTEN
Can. 7 – § 1. Die Christgläubigen sind jene, die durch die Taufe Christus eingegliedert, zum Volk Gottes gemacht und dadurch auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaftig geworden sind und gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen sind, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat.
§ 2. Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist in der katholischen Kirche verwirklicht, die vom Nachfolger Petri und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.
Can. 8 – In der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche in dieser Welt stehen jene Getauften, die in ihrem sichtbaren Verband mit Christus durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung verbunden sind.
Can. 9 – § 1. Auf besondere Weise mit der Kirche verbunden sind die Katechumenen, die vom Heiligen Geist geleitet, mit erklärtem Willen um Aufnahme in sie bitten; und deshalb werden sie durch diesen Willen selbst wie auch durch ihr Leben des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe mit der Kirche verbunden, die sie schon als die ihren umsorgt.
§ 2. Den Katechumenen widmet die Kirche ihre besondere Sorge; während sie diese zu einer dem Evangelium gemäßen Lebensführung einlädt und sie zur Teilnahme an der Göttlichen Liturgie, der Sakramente und dem Stundengebet hinführt, gewährt sie ihnen schon verschiedene Vorrechte, die den Christen eigen sind.
Can. 10 – Indem sie am Wort Gottes festhalten und dem lebendigen authentischen Lehramt der Kirche ergeben sind, sind die Christgläubigen verpflichtet, den Glauben, der von den Vorfahren sorgsam bewahrt und weitergegeben worden ist, rein zu bewahren und offen zu bekennen sowie vor allem sowohl durch die Ausübung besser zu verstehen als auch in den Werken der Liebe Frucht zu bringen.
Can. 11 – Unter allen Christgläubigen besteht, und zwar aufgrund ihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken.
Can. 12 – § 1. Die Christgläubigen sind verpflichtet, auch in ihrem eigenen Verhalten immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren.
§ 2. Mit großer Sorgfalt sollen sie ihre Pflichten erfüllen, die ihnen gegenüber der Gesamtkirche und der jeweiligen eigenberechtigten Kirche obliegen.
Can. 13 – Alle Christgläubigen müssen je nach ihrer eigenen Stellung ihre Kräfte einsetzen, um ein heiliges Leben zu führen sowie das Wachstum der Kirche und ihre ständige Heiligung zu fördern.
Can. 14 – Alle Christgläubigen haben das Recht und die Pflicht dazu beizutragen, daß die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten und auf der ganzen Welt gelangt.
Can. 15 – § 1. Was die Hirten der Kirche in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Christgläubigen, im Bewußtsein der eigenen Verantwortung, in christlichem Gehorsam zu befolgen.
§ 2. Den Christgläubigen ist es unbenommen, ihre Anliegen, insbesondere die geistlichen, und ihre Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen.
§ 3. Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung, haben sie das Recht, und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung über das, was das Wohl der Kirche angeht, den Hirten der Kirche mitzuteilen und sie, unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen, den übrigen Christgläubigen kundzutun.
Can. 16 – Die Christgläubigen haben das Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, besonders aus dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe von den Hirten der Kirche zu empfangen.
Can. 17 – Die Christgläubigen haben das Recht, den Gottesdienst zu feiern gemäß den Vorschriften der jeweiligen eigenberechtigten Kirche und der eigenen Form des geistlichen Lebens zu folgen, sofern diese mit der Lehre der Kirche übereinstimmt.
Can. 18 – Den Christgläubigen ist es unbenommen, Vereinigungen für Zwecke der Caritas und der Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt frei zu gründen und zu leiten und Versammlungen abzuhalten, um diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen.
Can. 19 – Da alle Christgläubigen an der Sendung der Kirche teilhaben, haben sie das Recht, durch eigene Unternehmen je nach ihrem Stand und ihrer Stellung eine apostolische Tätigkeit in Gang zu setzen oder zu unterhalten; keine Unternehmung darf sich jedoch ohne Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität katholisch nennen.
Can. 20 – Da die Christgläubigen durch die Taufe zu einem Leben nach der Lehre des Evangeliums berufen sind, haben sie das Recht auf eine christliche Erziehung, durch die sie in angemessener Weise zur Erlangung der Reife der menschlichen Person und zugleich zur Erkenntnis des Heilsgeheimnisses und zu einem Leben danach angeleitet werden.
Can. 21 – Die sich den theologischen Wissenschaften widmen, besitzen die gebührende Freiheit der Forschung und der klugen Meinungsäußerung in den Bereichen, in denen sie über Sachkenntnis verfügen; dabei ist der schuldige Gehorsam gegenüber dem Lehramt der Kirche zu wahren.
Can. 22 – Alle Christgläubigen haben das Recht, ihren Lebensstand frei von jeglichem Zwang zu wählen.
Can. 23 – Niemand darf den guten Ruf, den jemand hat, rechtswidrig schädigen und das persönliche Recht eines jeden auf den Schutz der eigenen Intimsphäre verletzen.
Can. 24 – § 1. Den Christgläubigen steht es zu, ihre Rechte, die sie in der Kirche haben, rechtmäßig geltend zu machen und sie nach Maßgabe des Rechts vor der zuständigen kirchlichen Behörde zu verteidigen.
§ 2. Wenn Christgläubige von der zuständigen Autorität vor Gericht gezogen werden, haben sie auch das Recht auf ein Urteil, das nach Recht und Billigkeit gefällt wird.
§ 3. Die Christgläubigen haben das Recht, daß sie mit kanonischen Strafen nur nach Maßgabe des Gesetzes bestraft werden.
Can. 25 – § 1. Die Christgläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen, die für ihre Zwecke, besonders für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind.
§ 2. Sie sind auch verpflichtet, die soziale Gerechtigkeit zu fördern, eingedenk des Gebotes des Herrn, und aus den eigenen Einkünften die Armen zu unterstützen.
Can. 26 – § 1. Bei der Ausübung ihrer Rechte müssen die Christgläubigen sowohl als einzelne wie auch in Vereinigungen auf das Gemeinwohl der Kirche, die Rechte anderer und ihre eigenen Pflichten gegenüber anderen Rücksicht nehmen.
§ 2. Der kirchlichen Autorität steht es zu, im Hinblick auf das Gemeinwohl die Ausübung der Rechte, die den Christgläubigen eigen sind, zu regeln.