Einleitende Canones Titel I: Christgläubige und ihre gemeinsamen Rechte und Pflichten
Titel V: Großerzbischöfliche Kirchen
Titel VIII: Exarchien und Exarchen Titel IX: Konvente der Hierarchen mehrerer eigenberechtigter Kirchen
Titel XI: Laien
Titel XIII: Vereine von Christgläubigen Titel XIV: Evangelisierung der Völker
Titel XVII: Nichtkatholische Getaufte, die zur vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche gelangen Titel XVIII: Ökumenismus oder Förderung der Einheit der Christen
Titel XXI: Leitungsvollmacht Titel XXII: Rekurse gegen Verwaltungsdekrete

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Codex Canonum Ecc­le­si­a­rum Orientalium deutsch

TITEL XXVIII
VERFAHREN BEI DER VERHÄNGUNG VON STRAFEN

KAPITEL I
STRAFPROZESS

Art. I
VORUNTERSUCHUNG

Can. 1468 – § 1. Sooft der Hierarch eine wenigstens wahrscheinliche Kenntnis von einer Straftat hat, soll er selbst oder durch eine andere geeignete Person über Tatbestände und Umstände vorsichtig Nachforschungen anstellen, wenn nicht diese Nachforschung als völlig überflüssig erscheint.

§ 2. Es ist darauf zu achten, daß durch diese Nachforschung nicht irgendjemandes Gut in Gefahr gerät.

§ 3. Wer die Nachforschung durchführt, hat dieselben Vollmachten und Verpflichtungen wie der Vernehmungsrichter im Prozeß; wenn später ein Strafprozeß veranlaßt wird, kann er in ihm nicht als Richter tätig sein.

Can. 1469 – § 1. Wenn die Untersuchung zu einem hinreichenden Ergebnis gelangt zu sein scheint, muß der Hierarch unbeschadet der cann. 1403 und 1411 entscheiden, ob ein Verfahren zur Verhängung von Strafen veranlaßt werden soll, und, wenn er zustimmend entscheidet, ob im Wege eines Strafprozesses oder eines außergerichtlichen Dekrets vorzugehen ist.

§ 2. Der Hierarch muß seine Entscheidung widerrufen oder ändern, wenn es ihm richtig erscheint, daß aufgrund neuer Tatbestände oder Umstände anderes zu entscheiden ist.

§ 3. Bevor der Hierarch irgend etwas in der Sache entscheidet, muß er zur Straftat den Angeklagten und den Kirchenanwalt hören und, wenn er selbst es für klug hält, zwei Richter oder andere rechtskundige Personen; der Hierarch soll auch überlegen, ob es, um nutzlose Verfahren zu vermeiden, zweckmäßig ist, daß er selbst oder der Voruntersuchungsführer mit Zustimmung der Parteien die Schadenersatzfrage nach Recht und Billigkeit entscheidet.

Can. 1470 – Die Voruntersuchungsakten und die Dekrete des Hierarchen, mit denen die Voruntersuchung eingeleitet oder abgeschlossen wird, und alles das, was der Voruntersuchung vorausgeht, müssen im Geheimarchiv der Kurie aufbewahrt werden, wenn sie nicht für das Verfahren zur Verhängung von Strafen notwendig sind.

 

Art. II
ABLAUF DES STRAFPROZESSES

Can. 1471 – § 1. Wenn nicht die Natur der Sache dem entgegensteht, sind im Strafprozeß unter Wahrung der Canones dieses Titels die Canones über die Verfahren im allgemeinen und über das ordentliche Streitverfahren und die besonderen Normen über jene Verfahren anzuwenden, die das öffentliche Wohl angehen, nicht aber die Canones über das summarische Streitverfahren.

§ 2. Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, die Straftat einzugestehen, und ihm kann kein Eid abverlangt werden.

Can. 1472 – § 1. Wenn der Hierarch angeordnet hat, daß ein Strafprozeß einzuleiten ist, muß er die Voruntersuchungsakten dem Kirchenanwalt übergeben, der die Anklageschrift dem Richter nach Maßgabe der cann. 1185 und 1187 vorlegen muß.

§ 2. Vor dem Berufungsgericht nimmt der bei diesem Gericht bestellte Kirchenanwalt die Rolle des Anklägers wahr.

Can. 1473 – Um Ärgernisse zu vermeiden, die Freiheit der Zeugen zu schützen und den Lauf der Gerechtigkeit zu sichern, kann der Hierarch nach Anhörung des Kirchenanwalts und nach Ladung des Angeklagten in jedem beliebigen Stand und in jeder Instanz des Strafprozesses den Angeklagten von der Ausübung der heiligen Weihe, eines Amtes, Dienstes oder einer anderen Aufgabe ausschließen, ihm den Aufenthalt an einem bestimmten Ort oder in einem Gebiet auferlegen oder verbieten, oder auch den öffentlichen Empfang der Göttlichen Eucharistie untersagen; alles dies muß mit Wegfall des Grundes widerrufen werden und entfällt von Rechts wegen mit Beendigung des Strafprozesses.

Can. 1474 – Der Richter muß den Angeklagten bei der Ladung zur Auswahl eines Anwaltes innerhalb einer festgesetzten Frist auffordern; wenn sie ungenützt abgelaufen ist, muß der Richter von Amts wegen dem Angeklagten einen Anwalt bestellen, der solange im Amt bleibt, wie der Angeklagte keinen Anwalt bestellt hat.

Can. 1475 – § 1. In jedem Stand des Verfahrens kann vom Kirchenanwalt im Auftrag oder mit Zustimmung des Hierarchen, auf dessen Entscheidung hin der Prozeß veranlaßt wurde, auf den Rechtszug verzichtet werden.

§ 2. Damit der Verzicht gültig ist, muß er vom Angeklagten angenommen werden, wenn dieser nicht für prozeßabwesend erklärt worden ist.

Can. 1476 – Außer den schriftlich vorgelegten Verteidigungen und Bemerkungen, wenn es solche gegeben hat, muß die Verhandlung der Sache mündlich erfolgen.

Can. 1477 – § 1. Der Verhandlung wohnen bei der Kirchenanwalt, der Angeklagte und sein Anwalt, die in can. 1483, § 1 genannte geschädigte Partei und ihr Anwalt.

§ 2. Es ist Sache des Gerichtes, die Sachverständigen, die im Prozeß mitgewirkt haben, zur Verhandlung zu laden, damit sie ihre Gutachten erläutern können.

Can. 1478 – Bei der Verhandlung der Sache hat der Angeklagte immer das Recht, daß entweder er selbst oder sein Anwalt als letzter spricht.

Can. 1479 – § 1. Nach dem Abschluß der Verhandlung muß das Gericht das Urteil fällen.

§ 2. Wenn aufgrund der Verhandlung die Notwendigkeit aufgetaucht ist, neue Beweise zu erheben, muß das Gericht die Entscheidung aufschieben und die neuen Beweise erheben.

Can. 1480 – Der Entscheidungsteil des Urteils ist sofort zu veröffentlichen, wenn nicht das Gericht aus einem schweren Grund entschieden hat, daß die Entscheidung bis zur förmlichen Bekanntgabe des Urteils geheim zu halten ist, die niemals über einen Monat nach dem Tag, an dem die Strafsache beendigt wurde, hinausgeschoben werden kann.

Can. 1481 – § 1. Der Beschuldigte kann Berufung einlegen, auch wenn der Richter ihn nur deshalb freigesprochen entlassen hat, weil die Strafe im Ermessen des Richters lag oder weil der Richter von der in cann. 1409, § 1 und 1415 erwähnten Vollmacht Gebrauch gemacht hat.

§ 2. Der Kirchenanwalt kann Berufung einlegen, wenn er meint, daß für die Wiedergutmachung des Ärgernisses oder die Wiederherstellung der Gerechtigkeit nicht genügend gesorgt ist.

Can. 1482 – Wenn offenkundig feststeht, daß die Straftat nicht vom Angeklagten begangen wurde, muß der Richter in jedem Stand und in jeder Instanz des Strafverfahren dies durch Urteil erklären und den Angeklagten freisprechen, auch wenn zugleich feststeht, daß die Strafklage verjährt ist.

 

Art. III
SCHADENSERSATZKLAGE

Can. 1483 – § 1. Die geschädigte Partei kann die Streitklage auf Wiedergutmachung von Schäden, die ihr durch die Straffat entstanden sind, im Strafprozeß selbst nach Maßgabe des can. 1276 stellen.

§ 2. Der Eintritt der geschädigten Partei in den Prozeß wird nicht mehr zugelassen, wenn sie nicht in der ersten Instanz des Strafprozesses erfolgt ist.

§ 3. Die Berufung in der Schadensersatzsache erfolgt nach Maßgabe der cann. 1309–1321, auch wenn eine Berufung im Strafprozeß nicht erfolgen kann; wenn aber beide Berufungen, wenn auch von verschiedenen Parteien, eingelegt werden, muß ein einziges Berufungsverfahren stattfinden, unbeschadet des can. 1484.

Can. 1484 – § 1. Zur Vermeidung einer Verzögerung im Strafprozeß kann der Richter das Verfahren über den Schadensersatz aufschieben, bis er das Endurteil im Strafprozeß gefällt hat.

§ 2. In diesem Fall muß der Richter nach der Urteilsfällung im Strafverfahren über den Schadensersatz entscheiden, auch wenn das Strafverfahren wegen der Einlegung eines Rechtsmittels noch anhängig ist oder der Angeklagte aus einem Grund freigesprochen wurde, der die Pflicht zum Schadensersatz nicht aufhebt.

Can. 1485 – Auch wenn ein in einem Strafprozeß gefälltes Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, schafft es keineswegs Recht gegenüber der geschädigten Partei, wenn sie nicht nach Maßgabe des can. 1483 in den Prozeß eingetreten ist.

 

KAPITEL II
VERHÄNGUNG VON STRAFEN
DURCH AUSSERGERICHTLICHES DEKRET

Can. 1486 – § 1. Zur Gültigkeit eines Dekretes, durch das eine Strafe verhängt wird, ist erforderlich, daß

1° der Angeklagte über die Anklage und die Beweise benachrichtigt wurde, wobei ihm Gelegenheit gegeben wurde, das Recht zu seiner Verteidigung voll auszuüben, wenn er nicht, obwohl rechtmäßig geladen, zu erscheinen versäumt hat;

2° eine mündliche Verhandlung zwischen dem Hierarchen oder seinem Beauftragten und dem Angeklagten in Anwesenheit des Kirchenanwalts und des Notars stattfindet;

3° im Dekret selbst dargelegt wird, auf welche Tatsachen- und Rechtsgründe sich die Bestrafung stützt.

§ 2. Die in can. 1426, § 1 genannten Strafen können ohne dieses Verfahren verhängt werden, sofern ihre Annahme auf seiten des Täters schriftlich feststeht.

Can. 1487 – § 1. Die Beschwerde gegen ein Dekret, durch das eine Strafe verhängt wird, kann innerhalb einer Nutzfrist von zehn Tagen nach seiner Mitteilung bei der zuständigen höheren Autorität eingelegt werden.

§ 2. Diese Beschwerde setzt die Rechtskraft des Dekrets aus.

§ 3. Gegen die Entscheidung der höheren Autorität gibt es keine weitere Beschwerde.

 

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