TITEL XXIX
GESETZ, GEWOHNHEIT UND VERWALTUNGSAKTE
KAPITEL I
KIRCHLICHE GESETZE
Can. 1488 – Gesetze treten durch Promulgation ins Dasein.
Can. 1489 – § 1. Vom Apostolischen Stuhl erlassene Gesetze werden durch die Veröffentlichung im offiziellen Publikationsorgan der Acta Apostolicae Sedis promulgiert, wenn nicht in besonderen Fällen eine andere Weise der Promulgation vorgeschrieben ist; ihre Verpflichtungskraft beginnt drei Monaten nach dem Tag, der auf der Nummer der Acta Apostolicae Sedis angegeben ist, wenn sie nicht aus der Natur der Sache sofort verpflichten oder eine kürzere oder längere Gesetzesschwebe ausdrücklich festgesetzt ist.
§ 2. Von anderen Gesetzgebern erlassene Gesetze werden auf die von den betreffenden Gesetzgebern bestimmte Weise promulgiert; ihre Verpflichtungskraft beginnt von dem Tag an, der von diesen festgesetzt ist.
Can. 1490 – Durch rein kirchliche Gesetze sind diejenigen verpflichtet, die in der katholischen Kirche getauft oder in sie aufgenommen sind, hinreichenden Vernunftgebrauch besitzen und, wenn nicht ausdrücklich im Recht anders vorgesehen ist, das siebte Lebensjahr vollendet haben.
Can. 1491 – § 1. Durch von der höchsten Autorität der Kirche erlassene Gesetze sind auf der ganzen Welt alle verpflichtet, für die sie gegeben sind, wenn sie nicht für ein bestimmtes Gebiet erlassen worden sind; die übrigen Gesetze haben Verpflichtungskraft nur in jenem Gebiet, in dem die Autorität, die die Gesetze promulgiert hat, Leitungsvollmacht ausübt, wenn nicht etwas anderes im Recht vorgesehen ist oder aus der Natur der Sache feststeht.
§ 2. Gesetzen, die für ein bestimmtes Gebiet gegeben worden sind, unterliegen diejenigen, für die sie gegeben sind und die dort Wohnsitz oder Quasi-Wohnsitz haben und sich zugleich dort tatsächlich aufhalten, unbeschadet des § 3, n.1.
§ 3. Fremde
1° sind durch Gesetze des Partikularrechts ihres Gebietes nicht verpflichtet, solange sie von diesem abwesend sind, wenn nicht entweder deren Übertretung im eigenen Gebiet schadet oder es sich um personale Gesetze handelt;
2° sind auch durch Gesetze des Partikularrechts des Gebietes nicht verpflichtet, in dem sie sich aufhalten, ausgenommen die Gesetze, die für die öffentliche Ordnung sorgen, Rechtsförmlichkeiten von Handlungen bestimmen oder in dem Gebiet gelegene unbewegliche Sachen betreffen;
3° sind aber durch Gesetze des gemeinsamen Rechts und Gesetze des Partikularrechts der eigenberechtigten Kirche verpflichtet, auch wenn, was die Gesetze dieses Partikularrechts angeht, sie in ihrem Gebiet nicht gelten, nicht aber, wenn sie an dem Ort nicht verpflichten, wo sie sich aufhalten.
§ 4. Wohnsitzlose sind durch alle Gesetze verpflichtet, die an dem Ort gelten, an dem sie sich aufhalten.
Can. 1492 – Von der höchsten Autorität der Kirche erlassene Gesetze, in denen nicht ausdrücklich ein Gesetzesadressat angegeben ist, betreffen die Christgläubigen der orientalischen Kirchen nur, sofern es sich um Dinge des Glaubens oder der Sitten oder um die Erläuterung des göttlichen Gesetzes handelt oder in diesen Gesetzen ausdrücklich eine Anordnung für eben diese Christgläubigen getroffen wird oder es sich um Vergünstigungen handelt, die nichts enthalten, was den orientalischen Riten entgegensteht.
Can. 1493 – § 1. Unter der Bezeichnung gemeinsames Recht werden in diesem Codex außer den Gesetzen und den rechtmäßigen Gewohnheiten der Gesamtkirche auch die Gesetze und rechtmäßigen Gewohnheiten verstanden, die allen orientalischen Kirchen gemeinsam sind.
§ 2. Unter der Bezeichnung Partikularrecht aber werden alle Gesetze, rechtmäßigen Gewohnheiten, Statuten und andere Rechtsnormen verstanden, die weder der Gesamtkirche noch allen orientalischen Kirchen gemeinsam sind.
Can. 1494 – Gesetze betreffen Zukünftiges, nicht Vergangenes, wenn nicht ausdrücklich in ihnen etwas über Vergangenes vorgesehen ist.
Can. 1495 – Als irritierende oder inhabilitierende Gesetze sind nur solche Gesetze anzusehen, in denen ausdrücklich bestimmt wird, daß eine Handlung rechtlich ungültig oder eine Person rechtlich unfähig ist.
Can. 1496 – Gesetze, auch irritierende und inhabilitierende, verpflichten bei einem Rechtszweifel nicht; bei einem Tatsachenzweifel aber können die Hierarchen von ihnen dispensieren, sofern die Dispens, wenn sie vorbehalten ist, üblicherweise von der Autorität gewährt wird, der sie vorbehalten ist.
Can. 1497 – § 1. Unkenntnis oder Irrtum hinsichtlich irritierender oder inhabilitierender Gesetze behindern nicht ihre Wirkung, wenn nicht etwas anderes ausdrücklich im Recht vorgesehen ist.
§ 2. Unkenntnis oder Irrtum hinsichtlich eines Gesetzes, einer Strafe, einer eigenen Tat oder einer offenkundigen fremden Tat wird nicht vermutet; hinsichtlich einer nicht offenkundigen fremden Tat wird es vermutet, bis das Gegenteil bewiesen wird.
Can. 1498 – § 1. Gesetze interpretiert authentisch der Gesetzgeber und derjenige, dem von diesem die Vollmacht zur authentischen Interpretation verliehen wurde.
§ 2. Die nach Art eines Gesetzes gegebene authentische Interpretation hat dieselbe Kraft wie das Gesetz selbst und muß promulgiert werden; wenn sie nur in sich klare Worte erläutert, gilt sie rückwirkend; wenn sie ein Gesetz einschränkt oder ausdehnt oder ein zweifelhaftes Gesetz erklärt, gilt sie nicht rückwirkend.
§ 3. Die Auslegung aber, die in der Weise eines Gerichtsurteils oder eines Verwaltungs¬aktes in einer besonderen Sache gegeben wurde, hat nicht die Kraft eines Gesetzes und verpflichtet nur die Personen und betrifft nur die Sachen, für die sie gegeben wurde.
Can. 1499 – Gesetze sind gemäß der eigenen in Text und Kontext erwogenen Bedeutung der Worte zu verstehen, wenn sie zweifelhaft und dunkel geblieben ist, gemäß Parallelstellen, wenn es solche gibt, Zweck und Umständen des Gesetzes und der Absicht des Gesetzgebers.
Can. 1500 – Gesetze, die eine Strafe festsetzen oder die freie Ausübung von Rechten einschränken oder eine Ausnahme vom Gesetz enthalten, unterliegen enger Auslegung.
Can. 1501 – Wenn in einer bestimmten Sache die ausdrückliche Vorschrift eines Gesetzes fehlt, ist die Sache, wenn es keine Strafsache ist, zu entscheiden gemäß den Canones der Synoden und der Kirchenväter, gemäß einer rechtmäßigen Gewohnheit, den allgemeinen Prinzipien des kanonischen Rechts unter Wahrung der Billigkeit, der kirchlichen Rechtsauffassung, der gemeinsamen und beständigen kanonistischen Lehre.
Can. 1502 – § 1. Ein späteres Gesetz hebt ein früheres ganz teilweise oder auf, wenn es dies ausdrücklich sagt oder ihm unmittelbar entgegengesetzt ist oder die ganze Materie des früheren Gesetzes umfassend ordnet.
§ 2. Ein Gesetz des gemeinsamen Rechts hebt aber, wenn es nicht anders in dem Gesetz selbst ausdrücklich vorgesehen ist, ein Gesetz des Partikularrechts nicht auf und ein Gesetz des Partikularrechts, das für eine eigenberechtigte Kirche erlassen wurde, hebt nicht das Partikularrecht unterer Ordnung auf, das in derselben Kirche gilt.
Can. 1503 – Im Zweifel wird der Widerruf eines früheren Gesetzes nicht vermutet, sondern die späteren Gesetze sind mit den früheren in Beziehung zu setzen und mit diesen, wenn möglich, in Einklang zu bringen.
Can. 1504 – Weltliches Recht, auf welches das Recht der Kirche verweist, muß im kanonischen Recht mit denselben Wirkungen beachtet werden, sofern es dem göttlichen Recht nicht entgegengesetzt ist und wenn nicht etwas anderes im kanonischen Recht vorgesehen ist.
Can. 1505 – Eine Aussage im maskulinen Sprachgebrauch gilt auch für das Femininum, wenn nicht etwas anderes im Recht vorgesehen ist oder aus der Natur der Sache feststeht.
KAPITEL II
GEWOHNHEIT
Can. 1506 – § 1. Die Gewohnheit einer christlichen Gemeinschaft kann Rechtskraft erlangen, sofern sie der Tätigkeit des Heiligen Geistes im Leib der Kirche entspricht.
§ 2. Keine Gewohnheit kann auf irgendeine Weise das göttliche Recht aufheben.
Can. 1507 – § 1. Nur eine solche Gewohnheit kann die Kraft eines Gesetzes haben, die vernünftig ist und von einer wenigstens passiv gesetzesfähigen Gemeinschaft in ununterbrochener und friedvoller Praxis eingeführt und während einer Zeit, die durch das Recht bestimmt ist, in Geltung war.
§ 2. Eine Gewohnheit, die vom Recht ausdrücklich verworfen wird, ist nicht vernünftig.
§ 3. Eine Gewohnheit, die dem geltenden kanonischen Recht widerspricht, oder eine außergesetzliche Gewohnheit hat nur die Kraft eines Gesetzes, wenn sie rechtmäßig dreißig ununterbrochene und volle Jahren hindurch geübt wurde; gegen ein kanonisches Gesetz aber, das eine Klausel enthält, die zukünftige Gewohnheiten verbietet, kann allein eine hundertjährige oder unvordenkliche Gewohnheit Geltung erlangen.
§ 4. Der zuständige Gesetzgeber kann eine Gewohnheit mit seiner wenigstens schweigenden Zustimmung auch vor Ablauf dieser Zeit als rechtmäßig anerkennen.
Can. 1508 – Die Gewohnheit ist die beste Auslegerin der Gesetze.
Can. 1509 – Ein widergesetzliches oder außergesetzliches Gewohnheitrecht wird durch ein entgegengesetztes Gewohnheitsrecht oder Gesetz widerrufen; jedoch widerruft, wenn es das nicht ausdrücklich erwähnt, ein Gesetz nicht hundertjähriges oder unvordenkliches Gewohnheitsrecht; was das übrige Gewohnheitsrecht angeht, gilt can. 1502, § 2.
KAPITEL III
VERWALTUNGSAKTE
Can. 1510 – § 1. Verwaltungsakte können, innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit, von denjenigen erlassen werden, die ausführende Leitungsvollmacht haben sowie von denjenigen, denen diese Vollmacht explizit oder implizit zukommt entweder von Rechts wegen oder kraft rechtmäßiger Delegation.
§ 2. Verwaltungsakte sind insbesondere:
1° Dekrete, durch die eine Entscheidung in einem besonderen Fall getroffen wird oder eine kanonische Verleihung erfolgt;
2° Verwaltungsbefehle für Einzelfälle, durch die einer Person oder bestimmten Personen unmittelbar und rechtmäßig ein Tun oder Lassen auferlegt wird, vor allem um die Beobachtung eines Gesetzes einzuschärfen;
3° Reskripte, durch die ein Privileg, eine Dispens, eine Erlaubnis oder ein anderer Gnadenerweis gewährt wird.
Can. 1511 – Ein Verwaltungsakt hat Rechtswirkung von dem Zeitpunkt an, an dem er mitgeteilt wird, oder bei Reskripten von dem Zeitpunkt an, an dem das Schriftstück ausgestellt ist; wenn aber die Anwendung einem Vollzieher anvertraut wird, hat er Rechtskraft vom Zeitpunkt des Vollzuges an.
Can. 1512 – § 1. Ein Verwaltungsakt ist zu verstehen gemäß der eigenen Bedeutung der Worte und dem allgemeinen Sprachgebrauch und er darf nicht auf andere als die angesprochenen Fälle ausgedehnt werden.
§ 2. Im Zweifelsfall unterliegt ein Verwaltungsakt, der sich auf Streitigkeiten bezieht, die Androhung oder Verhängung von Strafen angeht, die Rechte einer Person einschränkt, die erworbenen Rechte anderer verletzt oder einem Gesetz zum Vorteil von Privatpersonen widerstreitet, einer engen Auslegung, sonst aber einer weiten.
§ 3. Bei Privilegien ist immer eine solche Auslegung anzuwenden, daß derjenige tatsächlich einen Gnadenerweis erlangt, dem das Privileg gewährt ist.
§ 4. Nicht nur die Dispens, sondern auch die für einen bestimmten Fall gewährte Dispensvollmacht selbst unterliegt einer engen Auslegung.
Can. 1513 – § 1. Durch ein entgegenstehendes Gesetz wird kein Verwaltungsakt widerrufen, wenn nicht etwas anderes im Gesetz selbst vorgesehen ist oder das Gesetz von einer Autorität erlassen wurde, die höher ist gegenüber demjenigen, der den Verwaltungsakt gesetzt hat.
§ 2. Ein Verwaltungsakt tritt nicht außer Kraft durch das Erlöschen des Rechts desjenigen, der ihn gesetzt hat, wenn nicht etwas anderes ausdrücklich vorgesehen ist.
§ 3. Der Widerruf eines Verwaltungsaktes durch einen anderen Verwaltungsakt der zuständigen Autorität hat Rechtswirkung erst von dem Zeitpunkt an, zu dem er der Person mitgeteilt wird, für die der Verwaltungsakt gegeben worden ist.
§ 4. Eine auf Dauer gewährte Dispens erlischt auch durch den sicheren und gänzlichen Wegfall des ausschlaggebenden Dispensgrundes.
§ 5. Ein Dekret oder ein Verwaltungsbefehl im Einzelfall verliert seine Rechtskraft auch durch den Wegfall des Gesetzes, zu dessen Ausführung es erlassen wurde; ein Verwaltungsbefehl im Einzelfall erlischt auch durch das Erlöschen des Rechts dessen, der ihn erlassen, wenn er nicht durch ein rechtmäßiges Dokument auferlegt wurde.
Can. 1514 – Ein Verwaltungsakt, der den äußeren Bereich betrifft, ist schriftlich auszufertigen, unbeschadet der cann. 1520, § 2 und 1527; ebenso, wenn er in Auftragsform ergeht, der Akt seines Vollzugs.
Can. 1515 – Ein Verwaltungsakt, auch wenn es sich um ein motu proprio gegebenes Reskript handelt, hat keine Rechtswirkung, sofern er die wohlerworbenen Rechte anderer verletzt oder mit einem Gesetz oder einer rechtmäßigen Gewohnheit in Widerspruch steht, wenn nicht die zuständige Autorität ausdrücklich eine Abänderungsklausel hinzugefügt hat.
Can. 1516 – Bedingungen werden bei Verwaltungsakten nur dann als zur Gültigkeit hinzugefügt angesehen, wenn sie durch die Partikeln „si, nisi, dummodo“ oder in der Landessprache durch eine andere Partikel mit derselben Bedeutung ausgedrückt werden.
Art. I
VERFAHREN BEIM ERLASS VON AUSSERGERICHTLICHEN DEKRETEN
Can. 1517 – § 1. Bevor die Autorität ein außergerichtliches Dekret erläßt, muß sie die notwendigen Erkundigungen und Beweismittel einholen; sie muß diejenigen anhören und befragen, die nach dem Recht anzuhören oder zu befragen sind; sie muß diejenigen anhören, die das Dekret unmittelbar berührt und vor allem diejenigen, deren Rechte verletzt werden können.
§ 2. Dem Antragsteller und auch demjenigen, der rechtmäßig widerspricht, muß die Autorität die Kenntnisse und Beweismittel offenlegen, die ohne Gefahr eines öffentlichen oder privaten Nachteils zur Kenntnis gebracht werden können, und sie muß etwa entgegenstehende Gründe aufzeigen, indem ihnen Gelegenheit zu geben ist, auch durch einen Rechtsbeistand, innerhalb einer von der Autorität bestimmten Frist zu antworten.
Can. 1518 – Die Autorität muß das Dekret erlassen innerhalb von sechzig Tagen nach Erhalt des Antrags, ein Dekret zu erlangen, wenn nicht das Partikularrecht der jeweiligen eigenberechtigten Kirche andere Fristen festsetzt; wenn es aber nicht geschehen ist und der Antragsteller das Dekret wiederholt schriftlich beantragt, gilt der Antrag am dreißigsten Tag nach Erhalt des erneuten Antrags, wenn auch dann nichts geschehen ist, als abgelehnt, als ob an diesem Tag ein ablehnendes Dekret ergangen wäre, so daß Beschwerde dagegen eingelegt werden kann.
Can. 1519 – § 1. Wer ein Dekret erläßt, soll sich das vor Augen halten und das anstreben, was dem Seelenheil und dem öffentlichen Wohl am ehesten zuträglich zu sein scheint, unter Wahrung von Gesetzen und rechtmäßigen Gewohnheiten, Gerechtigkeit und Billigkeit.
§ 2. Ein Dekret muß wenigstens mit summarischer Begründung versehen werden; wenn aber die Gefahr eines öffentlichen oder privaten Nachteils dagegen steht, daß die Entscheidungsgründe dargelegt werden, sind sie in einem geheimen Buch niederzulegen und demjenigen gezeigt werden, der gegebenenfalls über eine Beschwerde gegen das Dekret zu entscheiden hat, wenn er darum bittet.
Can. 1520 – § 1. Ein Dekret hat Rechtskraft, nachdem es dem, für den es bestimmt ist, in einer Weise mitgeteilt wurde, die entsprechend den örtlichen Gesetzen und Verhältnissen die sicherste ist.
§ 2. Wenn die Gefahr eines öffentlichen oder privaten Nachteils dagegen steht, daß der Text des Dekretes schriftlich zugestellt werden kann, kann die kirchliche Autorität anordnen, daß das Dekret dem, für den es bestimmt wird, vor zwei Zeugen und einem Notar verlesen wird, wobei die Mitschrift der mündlichen Verhandlung von allen Anwesenden zu unterschreiben ist; wenn dies vollzogen ist, gilt das Dekret als mitgeteilt.
§ 3. Wenn aber derjenige, für den das Dekret bestimmt ist, die Entgegennahme verweigert hat oder, obwohl er nach Maßgabe des Rechts geladen worden war, das Dekret in Empfang zu nehmen oder anzuhören, ohne einen gerechten Grund, der von dem Urheber des Dekrets zu beurteilen ist, nicht erschienen ist oder sich geweigert hat, die Mitschrift der mündlichen Verhandlung zu unterschreiben, gilt das Dekret als mitgeteilt.
Art. II
VOLLZUG VON VERWALTUNGSAKTEN
Can. 1521 – Der Vollzieher eines Verwaltungsaktes übt seine Aufgabe ungültig aus, bevor er einen schriftlichen Auftrag empfangen und seine Echtheit und Unversehrtheit geprüft hat, wenn nicht die Autorität, die den Akt vorgenommen hat, ihn zuvor hinsichtlich des Auftrags in Kenntnis gesetzt hat.
Can. 1522 – § 1. Der Vollzieher eines Verwaltungsaktes, dem der bloße Vollzug des Aktes anvertraut wird, kann diesen Vollzug nur verweigern, wenn offenkundig feststeht, daß der Akt nichtig ist oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht aufrechterhalten werden kann oder die Bedingungen nicht erfüllt sind, die dem Verwaltungsakt beigefügt sind; wenn aber der Vollzug des Verwaltungsaktes aufgrund persönlicher oder örtlicher Umstände nicht ratsam scheint, muß der Vollzieher den Vollzug aussetzen und sofort die Autorität benachrichtigen, die den Akt gesetzt hat.
§ 2. Wenn in einem Reskript die Gewährung des Gnadenerweises dem Vollzieher überlassen wird, ist es seine Sache, nach seinem klugen und gewissenhaften Ermessen den Gnaden¬erweis zu gewähren oder zu verweigern.
Can. 1523 – Der Vollzieher eines Verwaltungsaktes muß nach Maßgabe des Auftrags vorgehen; wenn er Bedingungen, die dem Auftrag zur Gültigkeit des Aktes beigefügt sind, nicht erfüllt oder die wesentliche Vorgehensweise nicht beachtet hat, ist der Vollzug nichtig.
Can. 1524 – Der Vollzieher eines Verwaltungsaktes kann sich nach seinem klugen Ermessen durch einen anderen vertreten lassen, wenn nicht die Stellvertretung verboten oder er wegen seiner persönlichen Eignung ausgewählt oder die Person des Stellvertreters festgelegt ist; in diesen Fällen aber ist es dem Vollzieher erlaubt, einem anderen vorbereitende Maßnahmen anzuvertrauen.
Can. 1525 – Der Vollzug eines Verwaltungsaktes kann auch vom Amtsnachfolger des Vollziehers durchgeführt werden, wenn dieser nicht wegen seiner persönlichen Eignung ausgewählt ist.
Can. 1526 – Dem Vollzieher ist es erlaubt, den Verwaltungsakt erneut zu vollziehen, wenn ihm beim Vollzug dieses Aktes auf irgendeine Weise ein Irrtum unterlaufen ist.
Art. III
RESKRIPTE
Can. 1527 – § 1. Was in den Canones über die Reskripte festgesetzt ist, gilt auch für die mündliche Gewährung von Gnadenerweisen, wenn nicht etwas anderes offenkundig feststeht.
§ 2. Ein mündlich gewährter Gnadenerweis muß bewiesen werden, sooft dies rechtmäßig verlangt wird.
Can. 1528 – Ein Reskript kann für einen anderen erwirkt werden, auch unabhängig von seiner Zustimmung, und es gilt vor der Annahme durch ihn, wenn nicht aus den beigefügten Klauseln anderes hervorgeht.
Can. 1529 – § 1 . Das Verschweigen der Wahrheit verhindert bei Bittgesuchen nicht, daß das Reskript Gültigkeit erlangt, sofern das genannt wurde, was zur Gültigkeit genannt werden muß gemäß dem Amtsgebrauch des Hierarchen, der das Reskript gewährt.
§ 2. Auch die Angabe von Unwahrem hindert nicht, sofern wenigstens ein vorgetragener Beweggrund wahr ist.
Can. 1530 – § 1. Ein von einer höheren Autorität abgelehnter Gnadenerweis kann von einer untergeordneten Autorität nicht gültig erlangt werden, wenn nicht die höhere Autorität ausdrücklich zugestimmt hat.
§ 2. Ein von einer Autorität abgelehnter Gnadenerweis kann von einer in gleicher Weise zuständigen Autorität oder einer höheren Autorität ohne Erwähnung der Ablehnung im Bittgesuch nicht gewährt werden.
1° Privilegien
Can. 1531 – § 1. Ein Privileg, also ein durch einen besonderen Akt gewährter Gnadenerweis zugunsten bestimmter physischer oder juristischer Personen, kann vom Gesetzgeber und von demjenigen gewährt werden, dem der Gesetzgeber diese Vollmacht gewährt hat.
§ 2. Ein hundertjähriger oder unvordenklicher Besitz begründet die Rechtsvermutung, daß ein Privileg gewährt wurde.
Can. 1532 – § 1. Ein Privileg wird als dauernd vermutet.
§ 2. Ein Privileg erlischt,
1° wenn es ein persönliches ist, durch das Erlöschen der Person, der es gewährt wurde;
2° wenn es ein dingliches oder lokales ist, durch den vollständigen Untergang der Sache bzw. des Ortes;
3° mit Ablauf der Zeit oder mit dem Erschöpfen der Zahl der Fälle, für die es gewährt wurde;
4° wenn sich im Lauf der Zeit nach der Auffassung der zuständigen Autorität die Umstände in der Weise ändern, daß es schädlich geworden ist oder sein Gebrauch unerlaubt wird.
§ 3. Ein örtliches Privileg lebt wieder auf, wenn der Ort innerhalb von fünfzig Jahren wiederhergestellt wird.
Can. 1533 – § 1. Ein Privileg erlischt durch Verzicht nur, wenn dieser von der zuständigen Autorität angenommen ist.
§ 2. Auf ein Privileg, das nur zu ihren Gunsten gewährt wurde, kann jede physische Person verzichten.
§ 3. Auf ein Privileg, das einer juristischen Person oder aufgrund des Ansehens eines Ortes oder einer Sache gewährt wurde, kann eine physische Person nicht gültig verzichten; und der juristischen Person steht ist es nicht frei, auf ein ihr gewährtes Privileg zu verzichten, wenn der Verzicht der Kirche oder anderen zum Nachteil gereicht.
Can. 1534 – Durch Nichtgebrauch oder gegenteiligen Gebrauch erlischt ein Privileg nicht, das für andere nicht nachteilig ist; wenn das Privileg aber anderen zum Nachteil gereicht, geht es verloren, wenn rechtmäßige Verjährung oder ein stillschweigender Verzicht hinzukommt.
Can. 1535 – Wer eine ihm durch Privileg gegebene Vollmacht mißbraucht, soll vom Hierarchen ermahnt werden; jemandem, der es schwer mißbraucht und vergeblich gemahnt wurde, soll der Hierarch das Privileg entziehen, wenn er es selbst gewährt hat; wenn aber das Privileg von einer höheren Autorität gewährt wurde, ist der Hierarch gehalten, diese zu benachrichtigen.
2° Dispensen
Can. 1536 – § 1. Eine Dispens, also die Befreiung von einem rein kirchlichen Gesetz in einem besonderen Fall, kann nur gewährt werden aus einem gerechten und vernünftigen Grund unter Berücksichtigung der Umstände des Falles und der Bedeutung des Gesetzes, von dem dispensiert wird; ansonsten ist die Dispens unerlaubt und, wenn sie nicht vom Gesetzgeber selbst oder einer höheren Autorität erteilt wird, auch ungültig.
§ 2. Das geistliche Wohl der Christgläubigen ist ein gerechter und vernünftiger Grund.
§ 3. Im Zweifel über die Hinlänglichkeit des Grundes wird die Dispens erlaubt und gültig gewährt.
Can. 1537 – Von Gesetzen kann nicht dispensiert, sofern sie Wesenselemente von Rechtsinstituten oder Rechtshandlungen bestimmen, und ebenfalls nicht von Prozeß- und Strafgesetzen.
Can. 1538 – § 1. Der Eparchialbischof kann in einem besonderen Fall die Christgläubigen, denen gegenüber er nach Maßgabe des Rechts seine Vollmacht ausübt, sowohl von Gesetzen des gemeinsamen Rechts als auch von Gesetzen des Partikularrechts der jeweiligen eigenberechtigten Kirche dispensieren, sooft er meint, daß dies zu ihrem geistlichen Wohl beiträgt, wenn nicht von dem Gesetzgeber, der die Gesetze erlassen hat, ein Vorbehalt gemacht worden ist.
§ 2. Wenn es schwierig ist, die Autorität anzugehen, der die Dispens vorbehalten ist, und zugleich die Gefahr eines schweren Nachteils in Verzug ist, kann jeder Hierarch die Christgläubigen in einem besonderen Fall dispensieren, denen gegenüber er nach Maßgabe des Rechts seine Vollmacht ausübt, sofern es sich um eine Dispens handelt, die diese Autorität unter denselben Umständen gewährt, unbeschadet des can. 396.
Can. 1539 – Wer Dispensvollmacht besitzt, kann sie, selbst wenn er sich außerhalb seines Gebietes befindet, gegenüber den Untergebenen ausüben, auch wenn sie von seinem Gebiet abwesend sind, und, wenn nicht Gegenteiliges ausdrücklich bestimmt ist, gegenüber Fremden, die sich gegenwärtig in seinem Gebiet aufhalten, wie auch gegenüber sich selbst.